Lange haben wir uns mit öffentlicher Kritik zurückgehalten, um weitere Schlagzeilen und Unruhe im Verein zu vermeiden. Am kommenden Wochenende endet endlich die Saison und sportlich geht es für uns am letzten Spieltag um nichts mehr. Daher ist nun der Zeitpunkt gekommen, an dem wir uns zu diversen Themen und Vorkommnissen der vergangenen Wochen und Monate äußern möchten. Die desaströse Situation rund um unseren FC Schalke 04 e.V. können und wollen wir nicht länger unkommentiert lassen.

Selten hat unser Verein ein katastrophaleres Bild abgegeben als in dieser Spielzeit. Neben einer sportlich desolaten Rückrunde, mit bisher gerade einmal acht Toren und einer historischen Sieglos-Serie, sind es vor allem die Gremien und Vereinsverantwortlichen, die unseren Verein Woche für Woche der Lächerlichkeit preisgeben und jeglichen Kontakt zur Gelsenkirchener Realität verloren zu haben scheinen. So unglaublich es derzeit scheint, die elementaren Probleme unseres Vereins liegen nicht auf dem Platz. Sowohl Vorstand als auch Aufsichts- und Ehrenrat haben sich in jüngster Vergangenheit mehr als einen Fehltritt geleistet.

Der Ehrenrat: Dieses Gremium hat in den vergangenen Jahren bereits in der ein oder anderen Situation mit seinen Entscheidungen einen faden Beigeschmack hinterlassen. In dieser Saison hat er sich jedoch selbst übertroffen. Die rassistischen Äußerungen von Clemens Tönnies wurden bereits zur Genüge diskutiert. Die daran anschließende Posse um das Ehrenratsverfahren, das im Rücktritt von Kornelia Toporzysek gipfelte, wirft jedoch bis heute zahlreiche Fragen auf. Hinzu kommt, dass es auch neun Monate später keinerlei offizielle Stellungnahme oder Information seitens des Vereins zu diesem Rücktritt gibt. Ebenso wenig wie eine Neubesetzung des bis heute unbesetzten fünften Platzes im Ehrenrat. Transparenz? Fehlanzeige! Sämtliche Anträge, den Ehrenrat neu zu gestalten, wurden vom Verein nicht zur Mitgliederversammlung zugelassen.

Thema Finanzen: Jahr für Jahr wurde uns auf der Jahreshauptversammlung erzählt, wie gut es Schalke gehe und dass man sich keine Sorgen machen müsse. Wahrscheinlich war den meisten Schalkern stets bewusst, dass wir finanziell nicht unbedingt auf der Sonnenseite stehen. Trotzdem war und ist es doch ziemlich erschreckend, dass ausgerechnet der große und finanzstarke FC Schalke 04 mit 275 Millionen Euro Jahresumsatz nach nur wenigen Tagen Bundesliga-Pause von Existenzängsten sprach. Vom eigenen Versagen immer wieder durch Ausgliederungs-Diskussionen ablenken zu wollen, ist nicht nur dreist, sondern bei den uns zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln eine Frechheit. Mittlerweile ist bekannt, dass unser langjähriger Finanzvorstand Peter Peters zum Monatsende seine Tätigkeit auf Schalke beendet. Auch wenn damit der erste langjährige Entscheidungsträger den Weg für einen Neustart ebnet, so ist dieser nicht allein für die finanzielle Misere auf Schalke verantwortlich. Die finanzielle Situation muss schonungslos aufgearbeitet und die Mitglieder des Vereins darüber informiert werden.

Der Aufsichtsrat: Der Aufsichtsrat dient seiner Funktion nach als Kontrollorgan zur Überwachung des großen Ganzen. Sämtliche größeren Investitionen und Ausgaben müssen von ihm genehmigt werden. Wenn unser Verein nun trotz deutlich höherer Einnahme als viele Konkurrenten der Liga derart schnell finanziell am Abgrund steht, ist der Aufsichtsrat seiner Verpflichtung gar nicht oder nur unzureichend nachgekommen. Damit trifft ihn zumindest eine Teilschuld. Meldet sich sonst zumindest unser Aufsichtsratsvorsitzender gern medienwirksam zu Wort, gab es seit Ausbruch der Krise nur nach dem verlorenen Derby das Statement, intern Ausgliederungs-Konzepte zu erarbeiten. Bekannte sich Clemens Tönnies bei seiner vorletzten Wahl noch klar und deutlich zum e.V., scheinen seine Worte abermals nicht viel Wert zu haben. 

Die Schalker Werte: Im Gegensatz zu vielen anderen Vereinen gab es auf Schalke nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie keine kreativen Ideen, um wegfallende Einnahmen zu kompensieren. Dafür gab es wieder einmal eine neue glattgebügelte Kampagne, diesmal unter dem Motto #nurimwir. Dass der Verein nur wenige Tage nach der Bundesliga-Unterbrechung die Logen-Besitzer anschrieb und darum bat, auf eine Rückerstattung zu verzichten, lässt erahnen, wie akut die Notlage auf Schalke ist. Während alle anderen Vereine ihren Fans die Rückerstattung angeboten haben – auch die mit der Rechtsform “eingetragener Verein” – ließ Schalke den Fans nur bedingt eine Wahl: Gutschein, Spenden oder Pech gehabt. Dabei berief sich der Vorstand auf ein Gesetz, welches noch gar nicht in Kraft getreten war. Gekrönt wurde das Ganze noch durch ein Schriftstück, das den Verein abermals in Deutschland der Lächerlichkeit preisgab. Ein sogenannter Härtefallantrag, bei dem der Verein die Fans, denen er Geld schuldet, zum Bittsteller degradiert. Ein beispielloser Vorgang der an Dreistigkeit nicht zu überbieten ist. Wie wäre es, wenn der Verein zur Abwechslung mal mit gutem Beispiel in der Bundesliga voran geht und transparent aufzeigt und erklärt, wofür genau er so schnell wie viel Geld braucht?

Leider ließ bereits die Entschuldigung daran zweifeln, ob die Verantwortlichen die Empörung wirklich verstanden haben, da lediglich die Wortwahl, nicht aber die Erstattungspraxis an sich bedauert wurde. Dass wirklich gar nichts verstanden wurde und die Verantwortlichen scheinbar in einer anderen Realität leben, wurde leider in den vergangenen Tagen und Wochen noch mehrmals deutlich. Ehrenamtler, die 60 Euro Aufwandsentschädigung im Monat erhalten, wurden vor die Tür gesetzt. Busfahrer, die für 450 Euro im Monat den Fahrdienst für die Jugendspieler übernehmen, wurden ebenfalls entlassen – darunter Rentner und Schwerbehinderte. Dass weder der Betriebsrat noch das Integrationsamt darüber im Vorfeld informiert wurden, ist blanker Dilettantismus. Dass damit für heranwachsende Fußballer einer der letzten Sozialisationspunkte und Bezug zur normalen Welt wegbricht, ist schon schlimm genug. Fassungslos macht es uns dann aber, wenn im Nachgang dieser Schritt auch noch als wirtschaftlich richtig begründet wird. Die Spieler verzichten auf einen Teil ihres Gehalts, die Fans auf die Rückerstattung der Tickets, um so Kündigungen vermeiden zu können. Und dann schmeißt der Verein die Geringverdiener als Erstes raus? Das ist das Gegenteil der propagierten “sozialen Verantwortung” und nicht hinnehmbar.

Man könnte die Liste der Verfehlungen in der aktuellen Saison noch weiter ausführen: Mit Matthias Warnig wurde eine Person mit Vergangenheit in der Stasi zum Aufsichtsrat berufen. Mit Marc Siekmann folgt auf unseren langjährigen Mediendirektor Thomas Spiegel ausgerechnet ein Reporter, der bis dato für die “Bild” gearbeitet hat. Zu den geplanten Geisterspielen wurde ohne Not von Gesprächen zwischen dem Verein und uns berichtet, die es nie gegeben hat. Als wenige Wochen zuvor diverse Hopp-Spruchbänder deutschlandweit in aller Munde waren, wurden in Richtung der Fans Drohungen ausgesprochen und wieder mal alle in Geiselhaft genommen, ohne dass die Schalker Fanszene dafür jeglichen Ansatz geboten hätte. Die letzte ausstehende Rate der TV-Gelder wurde auf Schalke bereits vor dem Lockdown verpfändet. Wir sind der einzige Bundesliga-Verein, der keine direkt Erstattung der Ticketpreise anbietet. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Schalke das Geld für die Derbykarten zurückerhalten hat, dies aber nicht an seine Fans weitergibt.

Die gesamte Saison ist eine moralische Bankrotterklärung. Ein Ausverkauf der Schalker Werte, die zu Marketingzwecken zwar gern benutzt, ansonsten aber mit Füßen getreten werden. Der Verein verliert zunehmend an Glaubwürdigkeit und Identifikation. Das familiäre Gefühl, was diesen Verein so besonders macht, scheint es nur noch unter den Fans zu geben. Mit Erschrecken stellen wir fest, dass sich die Entscheidungsträger schon längst von unseren Werten und Idealen abgewendet haben. Währenddessen schaut ein Großteil der Mitglieder fassungslos darauf, was aus unserem Verein geworden ist. Eines ist sicher: Wir werden uns den Verein nicht nehmen und schon gar nicht zerstören lassen. Der Verein muss sich wieder auf sein Leitbild zurückbesinnen und seiner darin enthaltenen sozialen Verantwortung gerecht werden. Zur neuen Saison fordern wir daher einen klaren Schlussstrich und damit verbunden einen Neuanfang und die Rückbesinnung auf alte Tugenden und Grundwerte sowie unser Leitbild. Ebenso scheint eine Aufarbeitung unserer finanziellen Situation unerlässlich. Wir haben keinen Bock mehr auf Ausreden oder Entschuldigungen. Wer die Schalker Werte nicht lebt, muss den Verein verlassen.