Fragebogen WA-Kandidatin Judith Neuwald-Tasbach

Neuwald-TasbachBitte stell dich kurz vor

Judith Neuwald-Tasbach
geb. 1959 in Gelsenkirchen
verheiratet ohne Kinder
Hobbys: Motorradfahren (lassen), Malen

Dipl. Betr. Wirt (FH) Fachrichtung Personentransport und Informatik
Führungserfahrung in den Branchen Flug-/ Schiffs- / Bustouristik, Automobilzulieferer, Automobilclub
und den Bereichen Marketing, Organisation, Einkauf und Kundenbetreuung

Seit vielen Jahren ehrenamtlich tätig als:

  • Projektleiterin „Bau der neuen Synagoge Gelsenkirchen“
  • Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen
  • stellvertretendes Mitglied im Direktorium des Zentralrates der Juden in Deutschland
  • Delegierte in der Ratsversammlung des Zentralrates der Juden in Deutschland
  • Mitgliedervertreterin in der Vertreterversammlung einer Bank
  • Vertreterin in der MV REL
  • 2004 Verleihung CDU-Bürgerpreis der Stadt Gelsenkirchen
  • 2013 Verleihung Ehrenplakette der Stadt Gladbeck
  • 2016 Verleihung Bundesverdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland

Seit wann und wie regelmäßig besuchst du die Spiele des FC. Schalke 04? Seit wann bist du Vereinsmitglied und was hat dich damals dazu bewogen?
Erste regelmäßige Besuche als Kind in der Glückauf- Kampfbahn. Durch Studium und beruflichen Werdegang habe ich 30 Jahre lang nicht im Raum GE gewohnt. Seit 10 Jahren wohne ich wieder im Revier, aber am Wochenende gehört die Zeit meinem Mann, der in der Woche beruflich unterwegs ist. Da muss Frau Prioritäten setzen. Fürs Stadion langte es da nicht immer. Ab September wird er im Raum GE arbeiten, und dann haben wir am Wochenende endlich wieder mehr Zeit für die schönste Nebensache der Welt.

Ich bin schon immer in zahlreichen Gruppen und Gremien aktiv, habe aber um Vereinsmitgliedschaften immer einen Bogen gemacht. Nachdem ich aber durch zahlreiche Projekte mit der Vereinsführung und den Fans einen Teil der Menschen kennenlernen durfte, die diesen Verein ausmachen, weiß ich, dass der FC Schalke 04 eine herausragende gesellschaftliche Funktion erfüllt. Das geht langfristig aber nur weiter, wenn sich Menschen dafür entscheiden, diese Aufgabe mit ihrem ganzen persönlichen Potential zu unterstützen. Das war vor 3 Jahren der Grund, meine Grundsätze über Vereinspolitik beiseite zu schieben und zusammen mit meinen Mann unsere Mitgliedschaft aus Überzeugung und mit Stolz zu beantragen.

Damit man verstehen kann, was ich damit meine, will ich die gesellschaftspolitische Aufgabe etwas näher erläutern:

Wir erleben in unserer Zeit, dass sich unsere Gesellschaft in vielen Bereichen massiv verändert. Das ist eigentlich etwas Positives, aber wir erleben leider auch sehr viele Trends, die mir Angst machen: Junge Menschen haben es heute nicht leicht, zu erfahren, dass man seine Zukunft mit Leistung selbst ganz gut beeinflussen kann. Ihnen wird eher vorgegaukelt, dass man als Influencer oder Teilnehmer an Casting-Veranstaltungen ohne viel sichtlichen Aufwand viel Geld verdienen kann. Nur haben leider dabei nicht einmal ein Prozent eine realistische Chance. Der soziale Zusammenhalt bricht in vielen Bereichen auseinander. Das Füreinander da sein rückt stark in den Hintergrund, es ist viel mehr angesagt, seinen Mitmenschen im Netz lächerlich zu machen, ihn zu mobben und in Notfällen einfach wegzusehen. Menschen erleben immer mehr Hetze und Anfeindungen, weil es wieder gesellschaftsfähig wird, Volksverhetzung und Diskriminierung auszuleben. Gerade als Mensch jüdischen Glaubens weiß ich leider sehr genau, wie massiv sich hier Veränderungen ergeben haben.

Fußball bietet da eine der wenigen Möglichkeiten, enorm viele Menschen persönlich oder medial zu erreichen, Emotionen freizusetzen und Dinge wieder ins Lot zu schieben. Hier kommt es darauf an, dass die Spieler als Mannschaft auftreten, dass sich jeder bis an seine Leistungsgrenze einsetzt, dass Egoismus durch Kooperation ersetzt wird… Aber nicht nur auf dem Platz, auch auf den Rängen wird eine soziale Art gelebt, die gerade Jugendlichen sehr gut aufzeigen kann, wie es laufen sollte. Euer schriftlich niedergelegtes „Selbstverständnis“ hat da eine sehr deutliche Aussage. Aber auch der Fußball ist leider in vielen Bereichen von den gesellschaftlichen Änderungen betroffen. Die meisten Fußballvereine sind keine Vereine mehr, sondern funktionieren wie ein Wirtschafts-unternehmen: der Profit steht also an erster Stelle. Spieler werden zu unvorstellbaren Summen eingekauft und auf dem Platz stehen junge Menschen, die viel zu viel an ihren eigenen Marktwert denken (müssen).

Schalke ist hier noch ein Beispiel, dass es auch anders gehen kann. Wir haben noch die Struktur eines Vereins. Wir haben uns noch nicht an den Megatransfers beteiligt (vielleicht aber nur, weil das Geld nicht da ist). Wir bauen in der Knappenschmiede unseren eigenen Nachwuchs auf. Unser Verein stellt sich ganz klar seiner Verantwortung, auch wenn es um umrühmliche Teile seiner Geschichte geht. Und über die Qualität unserer Fans brauche ich euch nichts zu erzählen. Auch hier steht das Füreinander da sein im Vordergrund, auch hier stellt man sich ganz klar gegen populistische Hetzer….

Warum hast du dich für den Wahlausschuss beworben? Was qualifiziert dich persönlich für die Arbeit im Wahlausschuss? Warum sollten die Mitglieder dir ihre Stimme geben?
Der Wahlausschuss entscheidet, welche Kandidaten zur Wahl in den Aufsichtsrat zugelassen werden. Ich möchte in diesem Gremium daran mitarbeiten, dass wir in den schwierigen Jahren, die auf uns zukommen, die Aufsichtsräte an Bord haben, die die Interessen der Mitglieder vertreten. Das klingt selbstverständlich, aber in einer Zeit, in der so wichtige Entscheidungen anstehen wie z.B. Profit oder Tradition, müssen wir Mitglieder uns darauf verlassen können, dass unsere Interessen eine starke Vertretung haben. Ich möchte unseren Wahlausschuss nicht mit meiner Fußballkompetenz, sondern mit meiner Fähigkeit unterstützen, Menschen daraufhin einzuschätzen, ob sie das tun, was sie uns versprechen.

Ich habe bereits dargestellt, dass Schalke noch zu den wenigen Fußballclubs gehört, die als Verein eine wichtige gesellschaftliche Verantwortung übernehmen können. Natürlich wird aber auch bei uns darüber diskutiert, ob man z.B. die Vereinsorganisation so weiterführen kann oder ob man mit einer anderen Struktur mehr Geld verdienen kann. Auch wir erleben, dass es immer wichtiger ist, darauf zu achten, dass das, was wir als Fans an unserem „Kumpel- und Malocher -Verein“ lieben, erhalten bleibt und nicht dem Profit geopfert wird. Natürlich sehe ich unseren Verein auch lieber ganz oben in der Tabelle als im Keller. Aber ich will nicht einem Verein angehören, der außer wirtschaftlichem Erfolg nichts Emotionales zu bieten hat. Dann wäre er austauschbar.

Wie ihr meiner Vorstellung entnehmen könnt, engagiere ich mich seit vielen Jahren für den sozialen Zusammenhalt, für Toleranz und Verständigung in unserer Stadt. Es ist für mich daher ein besonderer Ansporn, daran mitzuarbeiten, dass das Aushängeschild für alle die Werte, für die ich kämpfe, das auch dauerhaft weiter leisten kann. Ich kann das weder als Vorstand noch als Aufsichtsrat. Aber ich kann im Wahlausschuss darauf achten, dass die richtigen Personen an die Stelle kommen, an der der Grundstein für alle Entscheidungen gelegt wird. Das ist der Aufsichtsrat. Er benennt den Vorstand, der die operative Arbeit umsetzen soll. Er entscheidet also, welche Menschen das Steuer in die Hand bekommen. Er ist es auch, der darauf achtet, dass wir nicht vom Kurs abkommen, in dem er den Vorstand permanent „beaufsichtigt“. Wir als Mitglieder treffen nur einmal im Jahr Entscheidungen. Im Vorstand werden die aber regelmäßig getroffen. Nur der Aufsichtsrat kann da rechtzeitig einschreiten, wenn wir vom Kurs abkommen.

Diese Aufgabe setzt aber voraus, dass der Aufsichtsrat das, was die Mitglieder des Vereins wollen, kennt und respektiert. Wir brauchen hier also Menschen, die zwar durchsetzungsstarke Persönlichkeiten sind (sonst können die keinen Vorstand kontrollieren), die aber trotzdem bereit sind, nicht ihre eigenen Ziele, sondern die von uns Mitgliedern umzusetzen. Ich arbeite seit vielen Jahren in Gremien mit, bei denen es immer darauf ankommt, Kompromisse zu finden, ohne dass es Sieger und Verlierer gibt. Ich arbeite daran mit, Menschen Kompetenzen zu übertragen, die dann bitte genau so funktionieren, wie wir uns das vorgestellt, oder noch besser, wie sie uns das versprochen haben. Hierzu ist die Kompetenz in der Sache nicht so wichtig, wie die Kompetenz, Menschen „zu lesen“. Ich bin sicher, dass ich trotz Lücken in der fußballerischen Kompetenz hier viel zu bieten habe. Zusammen mit meinem persönlichen Ziel, Schalke erfolgreich als unseren Verein weiter zu entwickeln, möchte ich sehr gerne die Chance nutzen, meinen Teil dazu beizutragen.

Vor diesem Hintergrund kann ich unseren Mitgliedern natürlich versprechen, dass ich mich all meiner Kompetenz mit viel Motivation und Emotion in die Aufgabe stürzen werde. Ich glaube aber, dass es viel wichtiger ist, was andere Menschen über mich sagen, die mich persönlich oder im Rahmen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit kennengelernt haben. Ich hoffe also, dass viele der über 50.000 Menschen, denen ich anhand meiner Familiengeschichte unsere Synagoge vorstellen durfte, Mitglieder unseres Vereins sind, und natürlich zu der MV kommen werden.

Was macht für dich einen guten Aufsichtsratskandidaten aus?
Eine starke Persönlichkeit, ein gutes Standing, Verlässlichkeit und vor allem die Fähigkeit, zuhören zu können. Damit ist meine persönliche Liste aber auch schon beendet. Was jetzt kommt, wird sehr wahrscheinlich immer von der Situation abhängen, in der wir einen Kandidaten bewerten müssen. Im Vordergrund steht das Ziel, dass der Aufsichtsrat den Vorstand in allen Belangen „beaufsichtigen“ kann. Wir müssen also dafür sorgen, dass wir, wie bei unseren Jungs auch, alle Positionen sehr gut besetzt haben. Nur dann können Sie erfolgreich arbeiten.

Ein z.B. sehr analytisch denkender Aufsichtsrat kann ein Segen sein, wenn alle um ihn herum von Emotion getragen werden, er kann aber das Chaos auch perfekt machen, wenn keiner da ist, der für Emotion eintreten kann.

Das, was für die Persönlichkeitsstruktur gilt, setzt sich im Bereich der Kompetenz und der Netzwerkfähigkeit fort. Auch hier müssen wir die für die jeweilige Situation wichtigen Prioritäten herausarbeiten.

Es wird also sehr darauf ankommen, dass wir die bestehenden Aufsichtsräte richtig einschätzen. Da verlasse ich mich natürlich zuerst einmal auf die Erfahrungen meiner Kollegen im Wahlausschuss. Dann müssen wir die vom neuen Kandidaten zu übernehmende Aufgabe sauber definieren und erst dann können wir durch unsere Recherchen und Interviews entscheiden, wer diese Aufgabe am besten übernehmen kann.

Wie beurteilst du die Arbeit des Aufsichtsrats in den letzten Jahren?
Bitte akzeptiert, dass ich die Leistung von Menschen, die ich noch nicht persönlich kenne, in einer Situation, deren Hintergründe ich nicht kenne, ungern im Nachhinein beurteilen möchte. Das entspricht nicht meinem Fairnessgedanken.

Natürlich weiß ich um die zahlreichen Diskussionen, die es über Vorstand und Aufsichtsrat in der Vergangenheit gegeben hat. Für mich ist es aber viel wichtiger, jetzt daran mitzuarbeiten, dass wir die besten Kandidaten finden und unseren Mitgliedern vorstellen.

Ich weiß noch nicht, wie genau der Wahlausschuss in der Vergangenheit operiert hat. Für mich ist es aber von absoluter Priorität, dass wir mit den Mitgliedern Einigung darüber erzielen, in welche Richtung sich der Verein entwickeln soll. Das heißt nicht, dass wir als Verein so funktionieren wie eine eidgenössische Schweiz, in der alle über alles abstimmen. Dazu sieht die Satzung den Vorstand vor, der operativ arbeitet und einen Aufsichtsrat, der kontrolliert. Das heißt aber, dass für mich Transparenz ein hohes Gut ist, das für mich immer im Vordergrund steht. Nur wenn der Vorstand klar darlegen kann, was er umsetzen möchte, kann der Aufsichtsrat seine Kontrolle ausüben und können wir im Rahmen einer MV diese Aufgabe bewerten.

Wie sollte das Zusammenspiel zwischen Verein und Fans aussehen?
Ihr habt in eurer Frage sicherlich nicht zufällig die Formulierung „Zusammenspiel“ benutzt. Ja, es gibt hier keine Einbahnstraße, sondern es geht nur im Dialog. Entscheidend sind aus meiner Sicht drei Punkte:

    Vertrauen
    Transparenz
    Verlässlichkeit

Basis ist, wie in jeder guten Gemeinschaft, das Vertrauen zueinander. Sicherlich haben nicht alle Beteiligten immer dieselbe Sicht auf ein Thema und vertreten unterschiedliche Lösungen. Hier ist es entscheidend, dass man dem Anderen unterstellt, dass er es genauso gut machen möchte, wie man selbst. In der Regel gibt es nämlich fast nie „Das Richtige“ oder „Das Falsche“ sondern eher das Gute und das Bessere. Zum Vertrauen gehört auch, dass alle Beteiligten einander zuhören und offen sind für andere Meinungen.

Schlussendlich trägt der Vorstand aber die Verantwortung, im Einzelfall die beste Entscheidung zu treffen. Hier muss man akzeptieren, dass wir als Fans immer eher auf ein Thema konzentriert sind, der Vorstand aber alle Themen, die von einer Entscheidung betroffen sind, im Blick halten muss. Hier kommt die Transparenz ins Spiel. Je mehr Informationen wir Mitglieder bekommen, umso besser können wir Entscheidungen verstehen und unsere eigene Meinung schärfen.

Beide Punkte wirken in der Praxis aber erst, wenn sich jeder darauf verlassen kann, dass Vereinbarungen eingehalten werden. Hier leisten wir Mitglieder einen entscheidenden Beitrag. Wir können in der MV Themen hinterfragen und Anregungen abgeben. Am Schluss des Tages sind wir es, die den Vorstand entlasten und ihm damit bescheinigen, dass er seine Aufgabe vernünftig umgesetzt hat.
Mit über 156.000 Mitgliedern stehen wir in Deutschland auf Platz 2 der mitgliederstärksten Clubs. Also auch hier wird es sehr schwer, einen kontinuierlichen Meinungsaustausch mit den einzelnen Fans zu organisieren.

Mitentscheiden können daher formal nur die Mitglieder, die sich die Zeit nehmen und zur MV kommen. Das sollten wieder über 10.000 Menschen sein.
Aber entscheidend ist es aber vor allem, wie unser Verein mit den Mitgliedern kommuniziert, die Woche für Woche unsere Jungs im Stadion die Treue halten und unseren Verein zu dem machen, wofür wir ihn lieben und leben. Hier ist natürlich zuerst einmal der Vorstand gefordert, schließlich sind es die Mitglieder, für die er arbeitet und deren Interessen er in seiner täglichen Arbeit zu vertreten hat.

Dann ist es natürlich auch der Aufsichtsrat, der verstehen muss, wo die Mitglieder mit ihrem Verein hin wollen. Wie will er sonst den Vorstand beaufsichtigen und einschreiten, wenn Kurskorrekturen notwendig werden.

Und da der Wahlausschuss dafür verantwortlich ist, wer sich als Kandidat für den Aufsichtsrat vorstellen darf, müssen auch wir verstehen, was die Mitglieder wollen.
Ich denke, ihr könnt mir zustimmen, wenn ich diese Aufgabe als die schwierigste ansehe. Hier werde auch ich mir immer wieder die Frage stellen, ob ich bei diesem Thema alles eingebracht habe, was ich einbringen kann.


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