Fragebogen 2022 AR-Kandidat Johannes Struckmeier
Bitte stelle dich kurz vor
Mein Name ist Johannes Struckmeier. Manche von Euch kennen mich vermutlich bereits, da ich auf der Mitgliederversammlung („MV“) im vergangenen Jahr erstmals in den Aufsichtsrat („AR“) des FC Schalke 04 gewählt wurde. Ich bin 37 Jahre alt und lebe in Essen. Das Schalke-Virus hat mich 1989 bereits gepackt. Aktuell kümmere ich mich beruflich bei ETL, der größten Steuerberatungsgruppe Deutschlands, um das Beratungsgeschäft im Profisport und um unsere Auslandsexpansion. Nebenberuflich doziere ich an der Deutschen Sporthochschule zum Thema Finanzierung von Proficlubs, wo ich den Studierenden neben der Theorie auch mein Praxiswissen aus über zehn Jahren betriebswirtschaftlicher Sportberatung weitergebe. Außerdem habe ich an zahlreichen Studien und Büchern zum deutschen und europäischen Fußballmarkt mitgewirkt.

Seit wann und wie regelmäßig besuchst du die Spiele des FC Schalke 04? Seit wann bist du Vereinsmitglied und was hat dich damals dazu bewogen?
Schon in sehr jungen Jahren war ich regelmäßig in Begleitung meines Vaters und/oder elterlichen Freunden im Parkstadion und auch bei unseren Auswärtsspielen. Übrigens einen der schönsten und prägendsten Auswärtssiege, durfte ich 1996 bei einem Nachholspiel (an einem Dienstagabend) in Rostock erleben. Das Elfmetertor von Anderbrügge in der 90 Minute war eine kleine Vorentscheidung zur Europapokal-Qualifikation für die Saison 96/97. Der Rest der Geschichte ist ja allen bekannt. Seit wir in die Arena umgezogen sind, habe ich eine Dauerkarte und fahre auch so oft es geht zu unseren Auswärtsspielen.
Im Jahr 1998 meldeten mich meine Eltern nach einiger Überzeugungsarbeit endlich als Mitglied bei S04 an. Heute bedeutet die Mitgliedschaft für mich Zugehörigkeit und durch aktive Teilhabe über die Zukunft unseres Vereins mitbestimmen zu dürfen.
Was hat dich dazu bewogen, für den Aufsichtsrat des FC Schalke 04 zu kandidieren? Was qualifiziert dich persönlich für die Arbeit im Aufsichtsrat? Warum sollten die Mitglieder dir ihre Stimme geben?
Als ich im vergangenen Jahr in den Aufsichtsrat gewählt wurde, waren mein damaliger Antrieb meine Sorge und das Verantwortungsgefühl für unseren Verein. Wir waren plötzlich nicht mehr der Verein in den ich mich als Kind verliebte. Unsere Werte wurden in dieser Zeit von Vereinsgremien mit Füßen getreten. Sportlich und finanziell führte man uns in eine existenzbedrohende Krise.
Heute, nicht mal ein Jahr, aber viel intensive Arbeit später, finde ich das Schalke auf und neben dem Platz wieder auf dem richtigen Weg ist. Durch die vergangene MV wurde der Aufsichtsrat nicht nur personell, sondern im Anschluss auch strukturell grundlegend verändert. Hierbei konnte ich mich mit den Kollegen im Strategieausschusses besonders intensiv damit beschäftigen eine Antwort auf die Frage zu finden „Wofür gibt es Schalke 04 und wie leiten wir daraus das Schalke 04 der Zukunft ab?“. Im Falle meiner Wiederwahl möchte ich dabei unterstützen die nächsten Schritte zu einer ganzheitlichen Strategie zu gehen, die Schalke 04 auf Jahre prägen und dem Verein einen Kompass für künftige Entscheidungen geben wird
Ich bin überzeugt, dass ich mich weiterhin hilfreich mit meiner Expertise aus mehr als zehn Jahren strategischer und betriebswirtschaftlicher Beratung von Profifußballclubs sowie durch meine mehrjährige Erfahrung als Dozent für das Thema Finanzierung von Proficlubs an der Deutschen Sporthochschule im AR einbringen kann.
Welche konkreten Ziele hast du, wenn du in den Aufsichtsrat gewählt wirst? Was sind für dich die großen Herausforderungen in den kommenden Jahren?
Ich möchte dabei unterstützen, dass S04 seinen Platz im Spannungsfeld zwischen Mitglieder- und Fannähe, finanzieller Stabilität, Kommerzialisierung und sportlichem Erfolg mit Bedacht und Weitsicht wählt, um Menschen auch zukünftig die Möglichkeit zu bieten, Zusammenhalt, Leidenschaft und Zuversicht auf und mit Schalke auszuleben.
Nachdem in den ersten Monaten nach der MV 2021 viele Schäden der vergangenen Jahre behoben werden mussten sowie Neustrukturierungen für zukünftig nachhaltigere Managemententscheidungen eingeleitet wurden, wird es in den kommenden Monaten und Jahren essentiell, die Identität unseres Clubs zu schärfen. Ziele müssen konkret definiert und daraus eine ganzheitliche Strategie für die Zukunft von S04 abgeleitet werden. Die Schärfung der Identität ist notwendig, um unserem aktuellen und zukünftigen Management einen personenunabhängigen Handlungskompass zu geben. Der unseren Club langfristig wieder nach vorne bringt. Zu häufig kam es in den vergangenen Jahren zu Entscheidungen, die viele Mitglieder vor den Kopf gestoßen haben und unsere Schalker Zukunft aufs Spiel gesetzt haben. Das gilt es zukünftig zu verhindern.
Konkret gelten für mich weiterhin, die von mir im letzten Jahr in diesem Fragebogen benannten Ziele:
– wir leben unser Leitbild ausnahmslos;
– wir etablieren uns wieder in der 1. Bundesliga; und
– wir wetten nicht mehr waghalsig auf die Zukunft.
Wie definierst du die Aufgaben des Aufsichtsrats? Wie sieht eine gute Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Vorstand aus?
Meine Definition der Aufgaben unterscheidet sich nicht von unserer Vereinssatzung. Grundsätzlich verantwortet der Vorstand die operativen Geschäfte unseres Vereins, wobei für ausgewählte Geschäfte (z.B. alles mit einem Wert von mehr als 500.000 Euro) eine Genehmigung des AR notwendig ist.
Grundsätzlich finde ich, dass im Kontrollgremium AR jeder in der Lage sein muss, sich ein ganzheitliches Bild von unserem Verein machen zu können. Die Themenfelder Sport, Finanzen, Werte und Kommunikation sind eng miteinander verbunden. Alle Mitglieder des AR sollten das notwendige Basiswissen mitbringen, um zum Wohle des gesamten Vereins gemeinsam zu entscheiden.
Ein guter AR fördert und fordert den Vorstand. In der Praxis bedeutet das, dass der FC Schalke 04 eine ganzheitliche Strategie haben sollte. Der AR kontrolliert dann deren Umsetzung durch den Vorstand. Gleichzeitig sollte der AR dem Vorstand als Ratgeber zur Seite stehen. Mit den seit der letzten MV etablierten AR-Ausschüssen wurde daher die Möglichkeit geschaffen, auch umfangreiche Themen strukturiert zwischen Vorstand und AR zu beraten.
Wie bewertest du die finanzielle Situation des Vereins?
Unser Finanzressort unter der Führung von Christina Rühl-Harmers hatte in den vergangenen zwölf Monaten eine Mammutaufgabe zu bewältigen. Der Abstieg und Corona haben erhebliche finanzielle Schäden hinterlassen, die sich auch in unserem Geschäftszahlen 2021 widerspiegeln. Mit der Reduzierung des Lizenzspieleretats von mehr als 80 Mio. Euro auf rund 20 Mio. Euro sowie mit dem Verkauf des LOC-Slots wurden im vergangenem Sommer Ad-hoc-Maßnahmen getroffen, die unsere Liquidität sichern konnten.
Mit Blick auf den Jahresabschluss 2021 finde ich es bemerkenswert, dass wir trotz allem in der Lage waren, unsere Gesamtverbindlichkeiten um mehr als 33 Mio. Euro zu reduzieren. Diese Entwicklung sowie das Vertrauen in unsere Vereinsführung, dass zukünftig keine halsbrecherischen Finanzentscheidungen getroffen werden, haben Schalke die Möglichkeit gegeben, sich im Frühjahr mit einer neuen Anleihe mit einem Volumen von rund 32 Mio. Euro zu refinanzieren.
Über allem sollte weiterhin das Ziel stehen, unseren Verein weiter zu konsolidieren und nachhaltig zu wirtschaften. Mit Blick auf die aktuelle Situation und nahe Zukunft wird unser Sportressort mit einem finanziell wettbewerbsfähigen, aber nicht ausufernden, Budget arbeiten können. Die Zeiten in denen Spieler jedoch lediglich mit Gehaltschecks zum S04 gelockt wurden, sollten dennoch vorbei sein.
Wie stehst du zur Rechtsform des eingetragenen Vereins beim FC Schalke 04?
Die geringe Eintrittshürde, Mitglied zu werden und sich selbst aktiv in unsere Vereinspolitik einbringen zu können, gefällt mir an der Rechtsform des e.V. besonders. Jedem ist es möglich, mit seiner Stimme die Zukunft von Schalke gleichermaßen mitzugestalten. Darauf können wir stolz sein und dürfen nicht vergessen, dass dieses Miteinander nur durch Kompromisse und gegenseitige Rücksichtnahme erfolgreich sein kann. Schalke ist gelebte Demokratie. Mir persönlich ist wichtig, dass zukünftig keine Verwässerung der Mitbestimmung erfolgt und sich niemand Einfluss auf unseren Club erkaufen kann.
Insgesamt betrachtet erkenne ich allerdings auch, dass sich unsere nationalen Wettbewerber in den vergangen 20 Jahren extrem verändert haben. Wir ringen nicht mehr nur gegen andere Vereine um die besten Resultate, sondern stehen im direkten Wettbewerb zu internationalen Großkonzernen. Diese besondere Herausforderung müssen wir berücksichtigen. Wir sollten daher nie mehr unsere finanzielle Stabilität gegen eine zu hohe sportliche Erwartungshaltung tauschen. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns mit weitsichtigem Handeln und harter Arbeit auch in unserer bestehenden Rechtsform wieder in der 1. Bundesliga etablieren können.
Wie beurteilst du die Satzung des FC Schalke 04? Wie stehst du zum veränderten Umgang mit Satzungsänderungsanträgen?
Unsere Satzung ist wie unser Verein über viele Jahrzehnte gewachsen und dokumentiert die Vorstellung der Mitglieder, wie Schalke sein sollte. Im Großen und Ganzen haben wir bereits eine gute Satzung. Im Laufe der Zeit werden jedoch regelmäßig Anpassungen notwendig, sodass wir einen offenen proaktiven Umgang mit den Satzungsänderungsanträgen aller Mitglieder benötigen.
Diesem Anspruch wollten wir im AR gerecht werden und haben mit Blick auf die Mitgliederversammlung 2022 alle Mitglieder darum gebeten, etwaige Satzungsänderungsanträge möglichst frühzeitig an Schalke zu kommunizieren. So gaben wir z.B. bei fehlerhaften Anträgen rechtzeitig Feedback und damit dem Antragsteller die Möglichkeit zur Korrektur. Darüber hinaus finde ich es richtig, zunächst alle rechtskonformen und inhaltlich begründbaren Anträge zuzulassen und lediglich Empfehlungen zur Ablehnung oder Zustimmung zu geben. Schlussendlich ist die MV unser höchstes Entscheidungsorgan.
An dieser Stelle möchte ich mich besonders bei meinen AR-Kollegen aus dem Miteinanderausschuss bedanken: Holger Brauner, Sven Kirstein, Pascal Krusch und Michael Riedmüller Der veränderte Umgang führte gerade für sie zu vielen intensiven Gesprächen und Mehrarbeit.
Wie sollte das Zusammenspiel zwischen Verein und Fans aussehen? (Siehst du Verbesserungsmöglichkeiten?)
Die Fans, d.h. die Menschen, die Schalke lieben, sind das, was uns ausmacht und von anderen Clubs unterscheidet. Hier hat der Verein Schalke eine erhebliche Verantwortung, da er nicht nur gemeinsamer Treff-, sondern vielmehr Lebensmittelpunkt vieler Menschen ist. Daher halte ich es für wichtig, dass Verein und Fans sich mit Respekt und auf Augenhöhe begegnen. Ein regelmäßiger gemeinsamer Dialog ist dabei unabkömmlich. Zentrale Themen müssen offen und ehrlich diskutiert werden können und Ideen aus der Fan- und Mitgliederschaft sollten gehört werden. Es muss aber auch akzeptiert werden, dass die Entscheidungsgewalt der MV, den Gremien und dem operativen Management obliegt.
Meiner Meinung nach wurde das Zusammenspiel in den vergangenen zwölf Monaten bereits deutlich verbessert. Mit der Gründung des Miteinanderausschusses hat das Thema Verein/Fankommunikation eine wesentlich höhere Wichtigkeit erfahren. Erste Ergebnisse sind, neben dem zuvor bereits etablierten „mitGEredet“ Talk, der neueingeführte Dialog im Umgang mit Satzungsänderungsanträgen sowie der Mitgliederbrief von AR und Vorstand. Darüber hinaus erarbeitet Schalke aktiv an einem Format, dass allen Fans gleichermaßen die Möglichkeit geben wird, sich mit Schalke auszutauschen und eigene Ideen vorzutragen. Hier möchte ich allerdings nicht im Detail unserer Vereinskommunikation vorgreifen.
Als Abschluss: Wie blickst du auf die zurückliegende Saison, insbesondere abseits des sportlichen Erfolgs?
Für mich persönlich war die vergangene Spielzeit sehr intensiv und stand vollständig im Zeichen des Umbruchs und der Neuordnung. Auf Schalke regiert kein einzelner mehr, sondern das Team. Seine Emotionen lebt der Verein nicht mehr in AR-Sitzungen, sondern auf dem Rasen und den Zuschauerrängen aus. Entscheidungen werden sach- und kennzahlenorientiert getroffen.
Die neubesetzten Gremien haben es geschafft, den Zustand des „Intensivpatienten“ Schalke zu stabilisieren und haben darüber hinaus die Zuversicht und Leidenschaft wieder geweckt, die unseren Verein immer ausgezeichnet haben. Die emotionale Rückkehr unserer Fans in die Stadien war dabei essentiell.
Personalentscheidungen wurden auf allen Ebenen gemeinsam und ohne mediale Nebengeräusche getroffen. Wir haben einen kompetenten Vorstandsvorsitzenden gefunden, der auch unsere strategische Ausrichtung im Blick hat. Unser Finanzressort arbeitet inzwischen in so enger Abstimmung mit der Lizenzspielerabteilung, dass waghalsige Spielertransfers der Vergangenheit angehören sollten. Die Zusammenstellung des Spielerkaders erfolgt nun auch unter Berücksichtigung einer zukünftigen Kaderwertsteigerung. Dabei spielen unsere Knappenschmiede und ein verbessertes Scouting eine zentrale Rolle.
Das proaktive Handeln nach Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine hinsichtlich unseres ehemaligen Hauptsponsors beweist, dass unser Verein seinen Wertekompass wiedergefunden hat. Gemeinsam mit regionalen Partnern wie Vivawest und der kreativen Lösung bei der Splittung von Sponsorenrechten (wie z.B. beim Trainingskit) wurde versucht, den Einnahmeausfall soweit es geht zu reduzieren.
Auch wenn es häufig als Plattitüde verwendet wird, aber in unserem Fall hatten die Führungskrise und der Abstieg im vergangenen Jahr einen reinigenden Effekt. Für die nahe Zukunft bedeutet das allerdings auch, dass wir unsere (häufig sehr hohe) sportliche Erwartungshaltung an die neuen Gegebenheiten anpassen müssen.